Wie ich dazu kam, den Offsetdruck…

gegen den Strich zu bürsten

Abgedruckt im Katalog „Die großen Hand-Drucke“

Als ich die Serie „Versuche zum Verständnis einer Landschaft“ mit Ansichten des Hamburger Freihafen-Geländes herstellte, stand ich vor dem Problem, auf große Kartons Schriftzüge drucken zu müssen. Ich dachte, es sollte doch möglich sein, dies mithilfe von Offsetdruckplatten zu bewerkstelligen, auf denen die Schrift spiegelverkehrt erscheint. (Gewöhnlich wird ja in der Offsetpresse erst auf ein rotierendes Gummituch gedruckt und anschließend auf das Papier, so dass die Druckplatte ein seitenrichtiges Bild zeigt.) Da ich in meinem Atelier eine funktionierende Offsetpresse, eine Rotaprint S 30, stehen hatte, bot sich dieses Verfahren an. Und es funktionierte, indem ich eine Kunststoff-Offsetplatte (statt einer üblicherweise verwendeten Metallplatte) mit dem Falzbein abrieb. Die Idee, diese Technik nun nicht nur auf Schrift, sondern auf die Zeichnung selbst anzuwenden, kam mir wenig später. Und so druckte ich erstmals in manuellem Abrieb eine blasse fotografische Vorzeichnung, die ich anschließend mit Aquarellfarben überarbeitete, bei den letzten Blättern dieser Serie, dem Triptychon  „Zum Verständnis einer Landschaft“. Wegen der Breite des Bildes war es nötig, 10 Einzeldrucke nebeneinander zu setzen. Die Offsetpresse selbst diente nur dazu, die Druckplatte optimal einzufärben, bevor ich sie aus der Maschine herausnahm.

Es bedurfte jetzt noch einer Seherfahrung, um den nächsten Schritt zu tun. Bis jetzt diente das gedruckte Bild ja lediglich der Untermalung. Eine Ausstellung populärer japanischer Farbholzschnitte, die ich in Köln sah, brachte die zündende Idee. Die Japaner kleben, um große Formate trotz relativ kleiner Holzplatten zu erreichen, schlichtweg einzelne Drucke nebeneinander. Könnte man nicht, dachte ich, auch in diesem manuellen Abrieb die Einzeldrucke auf einen großen Bogen nebeneinander drucken? Zumindest mit der Offsetplatte müsste das doch möglich sein, wenn ich die nicht aktuell zu bedruckenden Teile des Papiers sorgfältig abdecken würde. Bei dem Bild „Heimatklänge“ gelang es. Ich hatte eine neue Technik entdeckt, die meinem Anliegen sehr entgegenkam: dem Wechselspiel von Objektivem und Subjektivem, von Folgerichtigkeit und Willkür, von Maschinellem und Manuellem. Diese Technik des manuellen Offsetdrucks schlug bei mir so ein, dass ich über ein Jahrzehnt nicht von ihr ließ und alle meine großen Formate mit ihr ausführte. Ich hatte gewissermaßen mein Element gefunden.

Die Bilder entstehen schrittweise. Das heißt: Ein ursprüngliches Foto, selbst hergestellt oder auch übernommen, wird bearbeitet, erneut fotografiert und vergrößert, wieder bearbeitet und so fort. Und bei jedem Schritt kann ich eingreifen, manipulieren. Doch nichts geht wirklich verloren; denn die letzte, die auf dem schließlichen großen Druck erscheinende Bildschicht ist ein Dokument auch aller vorausgegangenen Zustände, die ihre Spuren hinterlassen haben. Und was mich fasziniert: Obwohl mir nur eine DIN A3-Druckmaschine zur Verfügung steht, kann ich durch das additive Prinzip beliebig große Drucke erzeugen. Im Laufe der Jahre ergab es sich, dass ich auf anschließende Übermalungen immer mehr verzichtete, erschien mir doch das Ergebnis des letzten Arbeitsschrittes, der Handabrieb mit dem Falzbein, vielschichtig genug.

Zur Zeit drucke ich die Bilder in Kleinst-Auflagen von 2 oder 3. Die Exemplare sind nie ganz gleich, was sich aus der Veränderung der Druckplatte, aber auch aus den je individuell ausgeführten Handbewegungen mit dem Falzbein ergibt, durch welche ja ein zeichnerischer Duktus das Druckbild überlagert.