Ekkehard Putz

Heiner Studt

Heiner Studt wird 1942 in Greifswald geboren. Ab 1945 lebt er in Jena. Nach dem Abitur flieht er 1961 in den Westen. Sein schönstes Jugenderlebnis sei der 17. Juni gewesen. Das individuelle Erlebnis eines Jungen ist seltsamer Weise in dem politischen Aufbegehren gegen die Regierung der DDR aufgehoben. Seit 1964 reist er im Zweijahrestakt in seine ehemalige Heimat zurück Aus wechselnden Distanzen nimmt er wahr, dass 1969 in Jena der Eich-Platz, der im Krieg nicht zerbombt worden war, 1969 abgerissen wird, damit dort ein Hochhaus errichtet werden kann. Es soll die Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren. Eine´sozialistische Dominante´ -Originalton Ulbricht- soll errichtet werden, damit die Hinfälligkeit des Kapitalismus offenbar werde. Der Turm Computerentwicklungszentrum der Firma Zeiss beherbergen. Seine Gestalt ist  eine Nachahmung eines Tubus der Zeissobjektive. Doch Jena wird keine sozialistische Schwerpunktstadt, zum Ärger vieler Jenaer, die sich davon Vorteile versprochen haben, und der Turm bleibt erst im Rohbau stecken. Dann wird er für die Jenaer Universität hergerichtet, die dessen Räumlichkeiten mehr schlecht als recht nutzen kann. Nach der Wende kauft  ihn eine Intershopfirma. Als Heiner Studt wieder einmal vor dem Turm steht, ist das Gebäude fast bis in die Grundfesten freigelegt. In den unteren Geschossen ist noch der alte Bestand zu sehen, in den oberen schon die neue Verglasung. Erst auf der Rückreise wird Heiner Studt klar, dass er ein neues Motiv für seine Kunst an der Angel hat. Er beauftragt einen Jenaer Freund, den Turm so zu fotografieren, dass  die Ausschachtungen zu sehen sind, der Turm in seiner Gesamtheit im Bild ist und  so weit möglich auch die Einordnung in die Stadt.

Das Motiv der Serie `Dominante` hat also einen autobiografischen Anteil. Er verschwindet.in der Öffentlichkeit des Motivs, ähnlich wie das schönste Jugenderlebnis im 17. Juni. Erst auf  dieser allgemeinen, gesellschaftlichen Ebene lassen sich Strukturähnlichkeiten mit der Autobiografie herstellen.

Trotz der zeitlichen Nähe des Neubaus und der Fotos vom Neubau mit unserer Gegenwart von 2001 ist der Blick auf das Bauwerk bereits ein Rückblick, ist angeschaute Geschichte: 1. des Vorkriegsjenas, 2. des nicht-zerbombten Nachkriegsjenas, 3. des durch die DDR zerstörten Jenas, 4. der Propaganda der DDR vermittels Architektur, 4. der Hybris dieser Propaganda und 5. des Überformens dieses Bauwerks durch den Westen nach der Wende.

Auf das direkte Anschauen des Bauwerks folgte die Aufbewahrung des Motivs  in der Fotografie. Das Motiv wird durch ein Medium vermittelt. Die Anleitung für den Fotografen macht klar, dass eine dokumentarische Haltung, die auf größere Zusammenhänge gerichtet ist, gewünscht wurde. Sie ist vom Künstler  loslösbar, sie ist nicht individuell.

Der Dokumentation genügt nicht ein einzelnes Foto, sondern eine Serie. Das einzelne Foto wie das einzelne Bild  aus der Serie `Dominante` wird nicht verabsolutiert. Jedes zeigt jeweil’s einen Aspekt des Motivs, mehrere Bilder ergeben ein facettenreicheres Bild des Motivs. Und da der Serie kein Prinzip unterliegt, das ihr Ende notwendig bestimmt, ist die Serie auf höherer Ebene so unabgeschlossen wie das einzelne Bild. Und es gibt auch keine festgelegte Reihenfolge für die Bilder.

Fotos zu benutzen, ist für Heiner Studt schon lange eine Konstante. Dies ist verwandt mit seinen vorausgehenden Collagen bzw. Montagen aus den 8Oger-Jahren. Häufig fotografiert er seine Objekte selbst. Eine Zwischenform nehmen die Objekte ein, die er plastisch gestaltet wie die `Schädel` oder die er inszeniert wie `Rückenlage`, um sie dann erst zu fotografieren. Arrangiert im weiteren Sinne  ist auch die auf starke Kontraste setzende Beleuchtung, etwa bei `Manuela` und `Rolf`.

Die dokumentarische Einstellung beim Fotografieren ist bei Heiner Studt keine Konstante. Sie scheint in dem Maße zurückgenommen zu sein, in dem das Subjekt, sprich Heiner Studt, nicht auf das Objekt zurückblickt. Die Körper von  Rolf und Manuela haben zwar ein bestimmtes Alter, doch präsent, anwesend und gegenwärtig, wird der weibliche individuelle Körper und dessen Sinnlichkeit an einem unbestimmbaren Ort zu einer unbestimmbaren Zeit. Gleiches gilt für die körperliche Fülle und Lebensbejahung eines älteren Mannes,quasi eines westlichen Buddhas, der an einem kaum zu bestimmenden Ort zu einer nicht bestimmbaren Zeit erscheint. Die Schädelserie ist als Vanitasvariation vom Thema her im Ansatz zeitlos.

Heiner Studt greift zur Schwarzweißfotografie und nicht zur Farbfotografie, also zur älteren Möglichkeit der Fotografie, zur geschichtsträchtigeren. Die Reduzierung der Farben auf Grau   werte ist eine Abstraktion, ein Weg zur Grafik.

Sowohl die Fotografie wie der Offsetdruck ermöglichen hohe Auflagen. Bei ihnen endet die künstlerische Arbeit beim Erstellen  des Abzugs bzw. bei der Druckplatte. Bei Heiner Studt fängtdie Hauptarbeit dann erst an. In jedem Stadium der Arbeit werden in der Regel die Druckvorlage und die Druckplatte verändert. Heiner Studt wählt ein Handdruckverfahren,  die Monotypie.

An die Stelle eines quasi objektiven Vervielfältigens tritt die subjektive Einflussnahme.

Studt sagt: „Mich interessiert die Kombination von Handarbeit .. mit Technik…Meine  Technik lässt, da die Druckplatte während des Abriebs leidet, nur Auflagen bis etwa drei zu.“

„Meine Technik erlaubt mir jedes Format, obwohl der Einzeldruck nur etwas mehr als DINA3 zulässt. Aber durch das Nebeneinanderdrucken, wie ich es von japanischen Farbholzschnitten `abgeguckt’ habe, kann ich beliebig große Formate füllen.“ Um das Ausgangsbild zu vergrößern, begnügt sich Heiner Studt mit den Möglichkeiten der Photokopie, also mit denen, die die Copyshops bieten. Ein bestmögliches Auflösungsvermögen und eine bestmögliche Wiedergabe der Grauwerte, also ein naturalistisches Bild und technische Perfektion werden nicht angestrebt.

Bei großen Formaten, wie etwa dem von `Dominante`,  werden drei bis vier Zwischengrößen  erstellt, die kontinuierlich größer werden. Die endgültige Größe steht von vornherein fest. Die Bilder, die größer sind als DIN A3, sind also aus Einzelbildern zusammengesetzt. Diese Tatsache legt das fertige Bild offen, denn die Bildränder gehen nicht ineinander über. Das heißt: Jeder Teil ist wichtig, alle Teile zusammen ergeben erst ein Ganzes.

Heiner Studt hat auf die Bedeutung  der Größe seiner Bilder hingewiesen. Für seine Schädelserie habe er Formate gebraucht, die „…am, menschlichen Körpermaß gemessen- ein Gegenüber darstellen können. Die meisten Bilder sind auf Papiere mit den Maßen 88cm x 124 cm gedruckt. Zwei große, die dreiteilig sind und jeweils 48 Druckgänge erforderten, haben die Maße 3OO x 140 cm und übertreffen damit das menschliche Maß, sie sollen das auch.“ Als selbstverständlich vorausgesetzt ist,  dass die Bilder aus der Nähe oder aus mittlerer Distanz angeschaut werden sollen. `Körpermaß` lässt sich hier zurecht auf doppelte Weise verstehen, einmal als die Größe in Zentimetern und zum anderen als etwas Menschliches etwas, das dem Menschen zugehört wie seine Größe.

Schon dass ein Foto das Ausgangsmaterial lieferte, macht deutlich, dass es sich um Abbild handelt, dass auf die Realität nicht direkt zugegriffen wird. Sie erscheint als abgebildete. Die Bearbeitungsspuren auf den Bildern verstärken durch ihre Störungen des Abgebildeten diesen Abbildcharakter.

Das fertige Bild ist kein Fenster in eine Welt –die Oberfläche würde dann negiert-, auch keine Oberfläche, die einen abstrakten Raum schafft wie in der abstrakten Malerei, noch schafft sie einen Raum, der erst im Sehen vor dem Bild entsteht wie in der Op-Art. Das Bild ist die Gesamtheit der auf der Oberfläche eingetragenen Arbeitsspuren und einer Bildoberfläche, die auf Abgebildetes verweist. Das fertige Bild ist keine direkte Aussage über die Welt oder über einen Ausschnitt von Welt, sondern quasi ein Labor, in dem mit einem Stück Welt experimentiert wird.

Das Experimentieren läuft über das Bearbeiten der ursprünglichen Fotografie, das der Druckplatte und der Zwischenvergrößerungen. Der jeweilige Bildträger wird zerkratzt, verschmiert, mit Tusche übergangen, Zettel werden aufgeklebt, Lichtpartien aufgehellt, Dunkelheiten verstärkt.

Zumindest bei dem, was das Zerkratzen betrifft, ist die Psyche des Künstlers Thema. Das Bild ist die Aktionsfläche des Künstlers und die Projektionsfläche für den Künstler. Ein Kratzer darauf  sei etwas Eigenes, zu dem er sich verhalten könne, sagte Heiner Studt im Gespräch mit dem Verfasser. Das Eigene, das Subjektive ist geladen mit Emotion, Kraft, Bewegung, Richtung, ist Aggression. Dies wird ablesbar an der Art der Kratzer auf dem Bild. Das Nicht-Eigene , das Nicht-Subjektive tritt dementsprechend wie ein Objektives auf. Der Begriff des Objektiven trifft am ehesten auf das Foto in seiner Herstellung zu, denn das Foto ist das Produkt eines technischen Verfahrens. Die Kratzer verweisen aggressiv auf die Anonymität dieses Verfahrens und führen das Subjektive wieder ein.

Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass das fertige Bild seine Herstellung weitgehend offen legt. Dazu gehören nicht nur das Foto als Ausgangsmaterial und die sichtbaren Einzelbilder der Vergrößerung. Dazu gehört z.B. auch der Untergrund, auf dem gedruckt wurde –die Maserung einer Holzplatte hat sich bei den Bildern der Serie `Rückenlage` mit abgedruckt- oder die Druckspuren des Falzbeins in der Manuelaserie. Heiner Studt sagt dazu: „Die kurze Geschichte des Bildmachens ist aus den schließlich sichtbaren Spuren ablesbar, die Augen müssen gewissermaßen `ausgraben`, um sie zu ergründen.“

Das Aufkleben verweist auf die Zweidimensionalität des Aufgeklebten und auf die der Aktionsfläche, also auch auf die des Bildes. Es ist ein Spiel mit und gegen das Foto, insofern dieses illusioniert.

Der Künstler agiert nicht auf einer neutralen Fläche -deshalb ist der Begriff Aktionsfläche eine Abstraktion, die jedoch nötig war, um den subjektiven Anteil hervorzuheben- der Künstler agiert auf einem Bild und reagiert auf ein Bild, das er sich selbst ausgesucht hat. Es ist deshalb für ihn nicht etwas völlig Fremdes. Er reagiert auf das Abgebildete, auf das Motiv. Zweitens reagiert er auf die bildnerischen Mittel des Fotos, also auf die Grauwerte, die Komposition, auf Linien und Flächen. Dass der Kratzer auf dem Bild etwas Eigenes sei, ist nur die halbe Wahrheit, denn der Kratzer auf dem Bild wie jeder andere Eintrag auch wird auf dem Bild zu einem Element des Bildes und insofern dem ausführenden Subjekt entfremdet. Jeder Eintrag ist mehrdimensional. Er zielt auf das Motiv, auf das Foto, auf das Bild, auf sich selbst und auf den Künstler.

Die Eintragungen von Heiner Studt verunklären das Foto, vor allem wenn diese Eintragungen anschließend wieder vergrößert werden. Sie unterwerfen das Foto einem Alterungsprozess. Das Bild wirkt, als hätte das Foto im Laufe der Zeit Einzelheiten verloren, sei unscharf  geworden, als sei es entweder verblichen oder als seien nur noch die starken Kontraste übriggeblieben. Für die abgebildeten Motive heißt das, dass sie nur durch das gealterte Medium des Fotos hindurch wahrnehmbar sind, dass sie alt sind oder Alter haben und selber solchen Verfallsprozessen unterliegen wie das Foto.

Was von Heiner Studt über die Sichtbarkeit des Herstellungsprozesses gesagt ist, dass man diesen mit den Augen gewissermaßen ausgraben müsse, um ihn zu ergründen, hat  also auch die Dimension des Geschichtlichen. Dadurch dass das Bild seine Herstellung offenlegt, wird die Geschichtlichkeit  des Fotos und des Fotografierten deutlich. Die Veränderungen, Verunklärungen des Ausgangsmaterials bewirken seltsamerweise gerade durch das Fernerrücken des Motivs ein Interesse am Motiv, ein archäologisches Interesse, das Motiv auszugraben. Archäologisches Interesse heißt auch, dass das Leben des Abgebildeten schon vorüber ist oder zuende geht und ein Interesse besteht, es sich wieder vorzustellen. Für dieses Zuendegehen, Vergehen gibt es den Begriff der Vanitas. In der Schädelbildserie thematisiert Heiner Studt dies noch direkter. „Bevor ich diese Schädelbilder machte,“ sagt Heiner Studt, „ hatte ich mich mit stadtlandschaftlichen Situationen beschäftigt, also mit dem, was der Mensch geschaffen hat, um es wieder vollkommen zu verlassen.“  Dazu gehören die Serien. Sein Begriff `Stadtbrache` benennt dies.

Obwohl `Dominante` das Foto eines Umbaus benutzt, gilt dafür das Gleiche. Auch den Spuren des Bauens haftet durch die Bearbeitungsspuren zum Bild hin dieses Vergangene bereits an.

Während der Arbeit an dieser Serie wurde Heiner Studt die Ähnlichkeit seiner Serie mit Brueghels `Turmbau von Babylon` bewusst. Auch bei Brueghel ist es ein Turm, der aus einer Hybris heraus begonnen wurde und im Bau befindliche gezeigt wird. Doch an die Stelle eines Gottes, der durch die Sprachenverwirrung Einhalt gebieten wird, tritt hier das Leben ohne religiösen Hintergrund, ein Leben zum Tod hin, ohne Erlösung, ohne Auferstehung, ohne eine zyklische Wiedergeburt. Anders als bei Brueghel tritt der Mensch auf diesen und ähnlichen Bildern Studts zurück. Das Geschehen vollzieht sich über den Menschen hinweg. Die Bauwerke bei Studt werden auf ihr Ende hin angesehen, nicht von einem vielleicht hoffnungsvollen Anfang her betrachtet.

Unter diesem Aspekt enthält die Kontrastgestaltung, nicht die Schwarzweißgestaltung, denn die Druckfarbe hat durch beabsichtigte verschiedene Dicke und durch die Farbe des Papiers unterschiedliche Tönungen erhalten, folgende Bedeutungen. In letzter Zeit bevorzugt Heiner Studt starke Kontraste der Dramatik` wegen. Das heißt, der Prozess des Vergehens ist dramatisch. Es wirken Kräfte, die sich gegen das Zuendegehen wehren.

Dunkel sind auf den Bildern meist die Umgebung, die Schatten im Gebäude oder Dinge im Gegenlicht. Das größte Dunkel ist ein Grenzwert, der auf dem Bilde nicht zu erreichen ist. Es ist der umgebende Raum, der alles schlucken kann, in den alles versinken kann. Insofern nistet in den Fensterhöhlungen oder in den Schattenzonen dieses unheimliche Dunkel. Die starken Aufhellungen, z.B. in `Bitterfeld 1` zerstören die Sichtbarkeit, die Präsens des Gebäudes und künden in ihrer Fahlheit von einem ebenfalls unheilvollen Licht. Bei den Fotos mit mittleren Grauwerten und wenig Überarbeitungen läuft dieser Prozess ruhiger, entfernter ab.

In dem Maße, wie auf dem Bild das Fotomotiv verschwindet, stellt sich als Grenzwert weder das Schwarz als ein unbestimmbarer Raum noch das Weiß als das hellste Licht heraus, sondern der Helligkeitswert des Papiers. Aus diesem Helligkeitswert ist das Bild entstanden. Durch weitere Überarbeitungen könnte das Bild dorthin zurückgeführt werden. Was das Bild über sich selbst sagt, gilt ebenso für das Foto und für das darauf illusionistisch Abgebildete. Sie sind entstanden und vergehen. Zuletzt münden sie in einen qualitativ anderen Zustand als den ihrer Existenz. Das Bild ist eine Paraphrase auf die Schöpfung und zugleich deren Rücknahme.

Ein neuer Aspekt tritt hinzu, wenn man die Motive bei Heiner Studt untersucht, die dem menschlichen Eingreifen weitgehend entzogen sind, also die aus der Natur, wie die Serie `Schwarzwasser` von 1999 mit Fotos aus dem Kleinen Walsertal und die Serie `Cres` von 2000 mit Fotos eines Olivenhains auf der bosnischen Insel Cres. Auf den Bildern beider Serien ist eine Überfülle an Natur zu sehen. Dies wurde durch ein Weitwinkelobjektiv ermöglicht, durch eine Reduzierung auf Schwarzweiß, die Steigerung der Kontraste und die Projektion des räumlich Entfernten auf das dann dichte Nebeneinander auf der Fläche. Der Schwarzwasserbach hat bei Hochwasser viel Naturgerümpel mitgerissen und an seinen Ufern abgelagert. Leben und Tod in der Natur sind also auch hier Thema. Geschichte tritt in den Ablagerungen auf. Der Olivenhain auf Cres ist verwildert. Die vom Menschen gestaltet gewesene Natur geht in den Zustand der natürlichen Natur über und zeigt nun deutlicher als früher die Reichhaltigkeit und Vielfalt der Naturformen. Die Hitze und das Licht werden in Schwarzweißkontraste verwandelt. Die Flächenkomposition hält die Verwandlung offen, ähnlich wie in der Serie Dominante das Objektive der Rasterung der Einzelbilder durch die Bearbeitung aufgelöst wird.

Vielleicht liegt der Studtschen Geschichtsauffassung das zu Grunde, was eben in Bezug auf die Geschichte der Natur gesagt wurde: eine Überfülle an Lebensäußerungen, die durch das Wirken des Menschen eher eingeschränkt wird; ein Leben zum Tod; Reste der Geschichte werden mit fortgerissen, abgelagert.

Von der Natur zurück zum Menschen. Der Serie `Rückenlage` hat Heiner Studt den Titel gegeben. Heiner Studt hat eine Holzplastik von Walter Knolle fotografiert, die Knolle `Zweite Geburt` genannt hat. Diese Plastik hat Heiner Studt inszeniert. Er hat sie in der Diele einer Scheune auf eine Matraze gelegt und mit Halogenstrahlern dramatisch beleuchtet. Auch der Weitwinkeleffekt dramatisiert, ebenso wie der Ausschnittscharakter, also die fehlende Übersicht. Die vielen Arme und Beine des liegenden Mannes suggerieren einen Mann in mehreren Lebensaltern zugleich, als Säugling, Erwachsener, Kopulierender, Strampelnder, Verzweifelter, quasi Gekreuzigter. Heiner Studts Überarbeitungen sind gering. Das Motiv tritt so in den Vordergrund. Vielleicht lassen sich die Aussagen über diese Plastik verallgemeinern als ein Zugleich und Nacheinander, wobei jede Befindlichkeit in jeder anderen mitwirkt. An die Möglichkeiten der Lebensfreude und der Sinnlichkeit inmitten von Schwarz, wie sie in der Serie `Manuela` und in der Rolfserie zum Ausdruck kommen, sei hier erinnert. Heiner Studt sagt im Zusammenhang mit seiner Ausstellung „nature morte oder de vita migrare“ (Stilleben oder aus dem Leben wandern /scheiden/): „Für mich sind die Bilder meiner Schädelserie auch ein Erinnern und Selbsterinnern an die Vergänglichkeit alles Organischen. Das ist nichts Bedrückendes, vielmehr erhöht es den Genuss dessen, was an Lebendigem noch nicht vergangen ist. Mir geht es gut.“